Offener Fragenkatalog an die Verantwortlichen des VfB Stuttgart
Gestern hat die Bundesregierung nun auch offiziell den Weg zur Weiterführung der Bundesliga mittels Geisterspielen geebnet. Schon am 15.Mai, also in weniger als zehn Tagen, soll nach den Plänen der DFL der Ball (und vor allem der Rubel!) wieder rollen. Mit dieser Maßnahme soll unter anderem der vermeintliche wirtschaftliche Totalschaden von mindestens 13 Clubs der ersten und zweiten Liga verhindert und der Fortbestand der Marke Bundesliga gesichert werden. Soweit der aktuelle Stand nach den, recht dramatisch und populistisch formulierten, Verlautbarungen verschiedener Funktionäre in den vergangenen Wochen. Um diese Maßnahme zu rechtfertigen und den Weg hierfür zu ebnen, wurde über die “Task Force Sportmedizin/Sonderspielbetrieb im Profifußball“ ein Hygieneplan für alle beteiligten Vereine entworfen. Ziel hierbei ist die Minimierung einer möglichen Ansteckungsgefahr mit Covid-19. Hierfür wurden in einer ersten Testreihe mit Hilfe von 1724 Proben die Anzahl der aktuell infizierten Personen ermittelt, um diese entsprechend zu isolieren.
Nach aktuellem Stand wurden bei diesen Tests mehr als zehn Personen positiv auf das Virus getestet. Eine zweite Testreihe läuft inzwischen bzw. ist zu größten Teilen abgeschlossen. Weitere sollen in regelmäßigen Abständen folgen. Nach groben Schätzungen werden, abhängig von der Entscheidung in welchem Modus (mit oder ohne englische Woche) gespielt wird, bis zum Ende der Saison allein in den beiden obersten Spielklassen in Deutschland dafür ca. 25.000 – 35.000 Tests notwendig sein. Nicht berücksichtigt ist hierbei die 3. Liga sowie die Frauen-Bundesliga, welche ebenso wieder in den Spielbetrieb wechseln sollen. So stellt sich aus unserer Sicht, die aktuelle Lage in Auszügen dar.
Daraus resultierend stellen sich für uns und eventuell auch für andere, einige recht interessante Fragen in Richtung des VfB Stuttgart und in Richtung aller anderen Vereine der ersten beiden Ligen.
Unserer Meinung nach stehen aktuell elementare Dinge zur Diskussion, zu deren Klärung klare und ehrliche Antworten der Verantwortlichen des VfB Stuttgart nur förderlich wären. Wir würden uns über eine detaillierte Beantwortung der Fragen freuen und appellieren deutlich an die handelnden Personen, mehr Transparenz und Offenheit zu schaffen. Mehr denn je ist es an der Zeit, dass die Verantwortlichen Antworten liefern und zumindest versuchen, den Anhängern den eingeschlagenen Weg zu erklären und nicht in ihre bekannten Muster verfallen, sich hinter Verbänden, der Politik, Behörden oder anderen Institutionen zu verstecken!
Damit wir den Rahmen nicht komplett sprengen, haben wir uns auf eine kleine Auswahl der aus unserer Sicht drängendsten Fragen im Hinblick auf den aktuellen Stand beschränkt. Die ebenso bohrenden Fragen nach dem Fortbestand der Liga und der finanziellen Abhängigkeit von beispielsweise TV-Geldern müssen darüber hinaus an anderer Stelle zwingend beleuchtet werden!
1. Die DFL spricht davon, dass durch die zusätzlichen Tests keine notwendigen Kapazitäten für das Personal beispielsweise in Krankenhäusern, in Laboren usw. belegt werden. Ist dies richtig?
Woher nimmt die DFL die Gewissheit über die freien Kapazitäten? Inwieweit sind die Vereine in die Erkenntnisse und Absprachen der DFL eingebunden? Heißt das im Umkehrschluss, dass der VfB Stuttgart bzw. die Liga bei einem erneuten Aufflammen der Infektionszahlen auf weitere Tests verzichten würde? Ist dies in den Planungen der Liga bedacht worden? Und wenn ja, bis zu welchem Punkt würde der VfB Stuttgart/die Liga an den Tests für seine Spieler/Betreuer und deren Familien festhalten?
2. Mit welchem Selbstverständnis nimmt der VfB Stuttgart die durch die DFL finanzierten Tests an, obwohl bekannt ist, dass größte Teile der Bevölkerung bisher nicht getestet werden konnten? Darunter eine Vielzahl an Personen, die in systemrelevanten Berufen arbeiten und/oder mit Personen aus der Risikogruppe in direkten Kontakt treten müssen.
Ist dies moralisch überhaupt vertretbar? Hätte hierzu nicht länger gewartet werden müssen? Woher kommt der durch die Verbände erzeugte zeitliche Druck? Wäre eine spätere Testreihe nicht eventuell sinnvoller und vor allem als weniger kritisch anzusehen?
Sieht der VfB Stuttgart in diesem Vorgehen nicht das Bild bestätigt, dass der Fußball sich selbst überhöht, den Bezug zur „normalen“ Bevölkerung mit solchen Entscheidungen immer mehr verliert und vor allem seiner sozialen Verantwortung nicht wirklich gerecht wird?
3. Stimmt es, dass die DFL die Vereine angewiesen hat, bei Infektionsfällen Stillschweigen zu bewahren und die Fälle nicht öffentlich zu machen? Wenn ja, welche Begründung wird hierzu angegeben? Geht es hier ausschließlich um das persönliche Recht des/der Betroffenen oder spielen auch andere Beweggründe eine Rolle? Wenn ja, welche sind das? Glaubt der VfB Stuttgart/die Liga, dass die Veröffentlichung von Infektionsfällen negative Auswirkungen auf die politische Entscheidung haben kann/wird?
4. Auf welcher Basis entscheidet der VfB Stuttgart/die Liga, dass bei einer Infektion einzelner getesteter Spieler nicht der komplette Kader in Quarantäne muss? Wo ist hier der Unterschied zur restlichen Bevölkerung zu sehen, die bei einem entsprechenden Fall im Umfeld vorsorglich in häusliche Quarantäne geschickt wird?
Kann der VfB Stuttgart eine gesundheitliche Gefährdung der restlichen Spieler/Betreuer und deren Familien wirklich ausschließen? Was passiert bei einem positiven Testergebnis nach Einstieg in das Mannschaftstraining, welches für einen Spielbetrieb zwingend notwendig und bei dem das Kleingruppentraining usw. nicht mehr umsetzbar ist?
Bleiben in diesem Fall trotzdem alle nicht positiv getesteten Spieler aktiv? Welche rechtliche Grundlage läge hier zu Grunde? Ist dies mit dem Arbeitsschutz der Spieler vereinbar? Riskiert der VfB Stuttgart/die Liga bei gesundheitlichen Schäden seiner Spieler Schadensersatzklagen durch Folgeschäden einer Infektion? Wie steht die DFL zu diesem Punkt? Gab es hierzu Gespräche? Wenn ja, mit welchem Ausgang?
5. Was passiert, wenn ein Spieler des VfB Stuttgart oder der gegnerischen Mannschaft während des aufgenommenen Spielbetriebs positiv getestet werden sollte? Was passiert, wenn der VfB in Folge dessen nicht mehr in der Lage ist, eine konkurrenzfähige Mannschaft zu stellen? Wäre man bereit, Spiele dann als Niederlage zu werten und am grünen Tisch zu verlieren? Würden eventuell auch Spieler der 2.Mannschaft/Jugendspieler usw. nachrücken und somit ebenfalls gefährdet?
Wie sind hierzu die Gedanken der Liga/der Verbände? Ist eine erneute Unterbrechung wirklich denkbar? Wenn ja, wie lange dürfte diese maximal dauern?
Gibt es hierzu eine einheitliche Sichtweise der Vereine? Ist es vertretbar, dass Vereine eventuell über eine längere Zeit nicht ausreichend trainieren können und somit nicht konkurrenzfähig wären, da sich Spieler in Quarantäne befinden? Ist dies mit dem solidarischen Grundgedanken der Liga vereinbar? Können hierbei nicht Nachteile entstehen, die einen fairen sportlichen Ausgang ad absurdum führen?
6. Welche Sicht vertritt der VfB Stuttgart in Bezug auf einen Abbruch der Liga, sollte der Spielbetrieb nicht bis zum Ende der Saison aufrechterhalten werden können? Sollte es in dieser Saison dann einen oder mehrere Aufsteiger/Absteiger geben? Kann die Saison aus Sicht der Vereine/Verbände überhaupt gewertet werden? Wenn ja, nach welchen Kriterien? Drohen dann keine entsprechenden Klagen von Vereinen, die durch den Abbruch benachteiligt werden? Würde der VfB Stuttgart bei einem Abbruch den Weg in die erste Liga als aktuell Zweiter der Liga einklagen?
Die Fragen decken sicherlich weder das ganze Spektrum ab, noch werden ihre Antworten alle offenen Punkte in Gänze erläutern. Nichtsdestotrotz erhoffen wir uns durch die Beantwortung etwas mehr Klarheit über die Vorgehensweise und die Hintergrundgedanken der handelnden Personen.
Die Debatte über das Für und Wider der Fortsetzung der Bundesliga mittels Geisterspielen in der jetzigen Phase geht weit über die Grenzen des Fußballgeschäfts hinaus. Unsere ablehnende und kritische Haltung gegenüber den aktuellen Plänen der DFL wird sich durch eine Beantwortung der Punkte fraglos nicht ändern. Jedoch sehen wir die genannte Notwendigkeit, in den offenen Fragen für Klarheit zu sorgen. Die Debatte hat eine enorme Sprengkraft mit entsprechenden Folgen für die Zukunft des Volkssports Fußball. Daher schließen wir mit der klaren Aufforderung an den VfB Stuttgart, alle anderen Bundesligisten und die Verbände, für Transparenz zu sorgen und die genannten Fragen öffentlich und vor allem zeitnah zu beantworten.
Schwabensturm Stuttgart 2002
Update 20.00 Uhr