Auszug aus unserem Heimspielflyer (SN) gegen Union Berlin

Auszug aus unserem Heimspielflyer (SN) gegen Union Berlin

Was passiert ist …

Über 19 Monate sind inzwischen seit dem Heimspiel des VfB am 09.03.2020 gegen Arminia Bielefeld vergangen, bei dem unsere Zaunfahne das letzte Mal zu sehen war und wir als Gruppe aktiv das Geschehen rund um ein Spiel des VfB begleiten durften. Keiner konnte sich damals vorstellen, welche Folgen dieses damals noch recht unbekannte Virus für jeden Einzelnen, aber auch die ganze Gesellschaft, mit sich bringen würde. Wie sicher auch jeder von euch, wurden auch wir in den nachfolgenden Tagen, Wochen und Monaten regelrecht von den Ereignissen und daraus resultierenden Folgen überrollt. Vieles, was bis in den März 2020 völlig normal war, als Routine angesehen wurde, veränderte sich schlagartig. Prioritäten verschoben sich zwangsläufig. Neue, wichtigere Dinge, rückten in den Fokus und nahmen Zeit und Platz ein, um sich an die neuen Gegebenheiten anzupassen, sich mit der Situation zu arrangieren oder auch um Mitmenschen und Betroffenen unter die Arme zu greifen. 19 Monate, die bei jedem Einzelnen sicherlich Spuren hinterlassen haben. Folgerichtig rückte auch für uns als Gruppe vieles von dem, was wir bis dahin eigentlich als unumstößlich ansahen, in den Hintergrund. Der Fußball und der VfB spielten plötzlich eine komplett untergeordnete Rolle. Der Blick und die Gedanken richteten sich von heute auf morgen nicht mehr auf das kommende Auswärtsspiel oder die mögliche nächste Eskalationsstufe seitens des DFB und dessen Umgang mit den Protesten gegen Dietmar Hopp und dessen Projekt. Vielleicht erinnert sich Mancher von euch an dieser Stelle daran, was die Kurven und viele Fans in Deutschland Anfang März 2020 bewegte.

Statt der nächsten Choreo sollten Schlagworte wie Einkaufshilfe, Telefondienst oder Spendenaktionen unser Tun und Handeln als Gruppe für lange Zeit bestimmen. Gepaart mit der Aufgabe, die interne Kommunikation und den Austausch untereinander und damit das Gruppenleben trotz aller Schwierigkeiten irgendwie aufrecht zu halten. Schlicht mit dem Ziel, mindestens genauso gut und genauso stark in allen Bereichen an unseren Platz in der Cannstatter Kurve zurückzukehren. Ob uns das gelingt, wird die Zukunft zeigen. Fakt ist, das vielzitierte Feuer brennt noch immer und spätestens ab heute ist wieder immer und überall mit uns zu rechnen – egal in welcher Form!

Bereits die vergangenen anderthalb Jahre haben einmal mehr gezeigt, zu was die Gruppe Schwabensturm trotz aller Widerstände zu leisten im Stande ist. Daher ist die Marschrichtung für uns klar. Wir wollen, gemeinsam mit euch, dort anknüpfen, wo wir beim Spiel gegen Bielefeld aufgehört haben: Lautstarker Support für die Farben Weiß und Rot. Opposition an den Stellen, an denen diese notwendig ist. Dort den Finger in die Wunde zu legen, wo dies unumgänglich erscheint und denen einen Riegel vorzuschieben, die den Fußball noch immer als ihr Produkt ansehen und anstandslos auch den letztmöglichen Euro aus ihm herauspressen wollen. Sicherlich würde an dieser Stelle ein ausschweifender Blick auf das Handeln von DFL und DFB und die großspurigen Ankündigungen zur Veränderung in den ersten Wochen und Monaten der Pandemie genauso den Rahmen sprengen, wie eine detaillierte Auseinandersetzung um die Vorgänge im vergangenen Winter, rund um die Kandidatur von T.Hitzlsperger als Präsidentschaftskandidat und deren bis heute andauernden Folgen.

Beide Themenfelder stehen dabei sinnbildlich für einen modernen Fußball, den wir weiterhin in Gänze ablehnen. Die Gründe für die viel zitierte Entfremdung vom „Volkssport Fußball“ sind zwar, wie schon oftmals formuliert, weiterhin vielschichtig, aus unserer Sicht aber eben auch exemplarisch an solchen Vorgängen festzumachen. Wie und ob der Fußball tatsächlich noch einmal so etwas wie die Kurve bekommen wird, bleibt abzuwarten. Beinahe offensichtlich erscheint dabei die Tatsache, dass die Verantwortlichen, wenn dann nur unter dem massiven Druck der Basis, bereit zu sein scheinen, die notwendigen Schritte einzuleiten. Zugegeben, die letzten Monate lassen den Glauben an Veränderungen nochmals kleiner werden. Gleichzeitig bleibt es aber eben auch dabei, wenn wir Fans den Fußball aufgegeben haben, ist er definitiv und unwiederbringlich verloren. Dies hat auch nach Corona zu 100% Bestand. Doch heute soll es darum erst einmal (noch) nicht gehen.

Rückkehr ins Neckarstadion!

Heute steht für uns schlicht der Spaß und die Freude im Vordergrund, zusammen mit euch allen wieder hier zu stehen. Das Warten auf einen Fußball mit einer vor Emotionen überkochenden Cannstatter Kurve hat endlich ein Ende. Gespannt, vielleicht sogar mit etwas Gänsehaut, blicken wir auf die anstehenden 90 Minuten. Der Weg zurück, in unseren Block, haben wir uns keinesfalls leicht gemacht. Viele lange, teilweise sehr emotionale, Diskussionen liegen hinter uns. Das Abwiegen der verschiedenen Für und Wider, die eine Rückkehr für uns gangbar machen würden, beschäftigen uns logischerweise seit Monaten. Gepaart mit der Problematik immer neuer Verordnungen und Vorschriften, ergab sich daraus eine Gemengelage, die für uns zu Beginn der vergangenen Saison ein Zurück unmöglich machten. Diese Situation und unsere Sichtweise sollten sich auch zu Beginn dieser Runde nicht ändern. Vordergründig war und ist unsere Rückkehr sehr eng an die Möglichkeit einer Vollauslastung verknüpft. Die nun gegebene Voraussetzung, gepaart mit der unabdingbaren Rücknahme weiterer Einschränkungen (Personalisierung von Eintrittskarten, Abstandsregeln, übliches Kontingent für Gästefans, Materialfreiheit usw.), erlaubt den aus unserer Sicht richtigen Schritt, die Cannstatter Kurve wieder mit Leben zu füllen. Uns ist bewusst, dass dies auch heißt, im Fall der Fälle konsequent zu bleiben und die Kurve wieder zu verlassen, sollten einzelne für uns relevante Parameter erneut zu unseren Ungunsten verändert werden (müssen). Es gehört zur Wahrheit, dass die aktuellen Regelungen rund um „2G“, „2G +“ oder „3G“ für uns keinesfalls eine Optimallösung darstellen. Doch gleichzeitig ist es für uns wichtig hier zu trennen. Wir haben uns vor Corona nicht politisieren lassen und werden dies nun auch während oder nach Corona nicht zulassen. Berechtigterweise hat sicherlich jeder seine persönliche Haltung und Meinung zu „Coronaverordnungen“, Einschränkungen und der Impfthematik samt derer möglichen Vor – bzw. Nachteilen. Doch diese äußerst polarisierende Debatte hat inzwischen einen merklichen Cut zwischen Befürwortern und Skeptikern getrieben, welcher sich entsprechend durch die Gesellschaft zieht. Ein Zustand, den wir keinesfalls innerhalb der Cannstatter Kurve erleben möchten! Logischerweise werden wir auch dieses Spiel als Gruppe keinesfalls mitspielen. Wir haben uns, gemeinsam mit vielen weiteren Gruppen und Fanclubs, dafür entschieden, wieder aktiv im Neckarstadion aufzutreten. Für uns gehört neben dem tiefgehenden Wunsch das ausleben zu können, was für uns Ultras mit der Unterstützung der eigenen Farben elementar war, ist und bleibt, auch der schlicht pragmatische Ansatz dazu, dass der jetzige Zeitpunkt, der aus unserer Sicht sinnvollste ist. Gefeilt davor, irgendwann festzustellen, dass wir hiermit falsch lagen, sind wir freilich nicht. Keiner von uns kann in die Zukunft blicken. Keiner weiß, ob beispielsweiße „2G“ in sechs Monaten zur Normalität geworden ist. Schlussendlich blieb es am Ende auch ein Abwiegen zwischen dem schmerzhaftem Weg der Tolerierung der aktuellen Situation bei den Heimspielen des VfB oder dem möglichen dauerhaftem Fernbleiben aufgrund der Voraussetzung von „2G“. Indiskutabel war hierbei für uns, zu einem späteren Zeitpunkt dieselben Regeln, die vorher abgelehnt wurden, argumentativ so zu drehen, um eine Rückkehr dann zu rechtfertigen. Wäre schlicht inkonsequent und bekanntlich nicht unsere Art.

Daher gilts ab heute wieder! Es geht wieder los. Zeigen wir gemeinsam allen, dass die Cannstatter Kurve und damit der Fußball lebt! Haut raus, was die Stimmbänder nach langer Pause hergeben. Das Kollektiv, das hier die Macht hat, ist zurück!

Ein paar kurze organisatorische Dinge noch zum Abschluss: Unser Verkaufstand an bekannter Stelle wird ab dem kommenden Spiel wieder geöffnet haben. Wer zudem Bock hat, bei uns Mitglied und damit ein Teil von uns zu werden, schaut in Zukunft wieder am Podest vorbei. Dort bekommt ihr alle notwendigen Infos. Schön, dass ihr alle wieder da seid!

Mit den letzten Zeilen dieses Textes wollen wir aber nochmals etwas demütig werden. Vergessen wir bei aller Vorfreude all diejenigen nicht, die uns verlassen haben. Manch bekanntes Gesicht der Cannstatter Kurve hat in den vergangenen Monaten seine letzte Reise angetreten.

Im Gedenken an alle Verstorbenen der Cannstatter Kurve! Ruhet in Frieden! 

Ultras Schwabensturm Stuttgart 2002 im Oktober 2021