Aufschub der MV und Durchführung als Präsenzveranstaltung
Am vergangenen Montag hat der Vereinsbeirat des VfB Stuttgart 1893 e.V. bekannt gegeben, auf die Nominierung der beiden Bewerber für die Präsidentschaftswahl zunächst zu verzichten. Parallel dazu sollen über einen Personaldienstleister mögliche weitere Kandidaten gefunden werden. Damit geht ein mehr als unwürdiges Schauspiel zwischen verschiedenen Vertretern aus Verein und AG in eine neue Runde, mit weiterhin ungewissem Ausgang. Dass die Wahl in den letzten Tagen und Wochen eine starke emotionale Zuspitzung erlebt hat, dürfte noch freundlich formuliert sein. Erneut treten tiefe Risse zwischen den Verantwortlichen und der Mitgliedschaft zu Tage. Notwendiges Vertrauen in die handelnden Personen ist erneut verloren gegangen. Mit welcher Schärfe sich die Kontrahenten und ihre Lager gegenüberstehen, verdeutlicht umso mehr die reale Gefahr einer wiederholten Spaltung durch alle Bereiche des VfB Stuttgart. Ob sich dieser Zustand auch nur im Ansatz durch das zuletzt als Entschuldigung veröffentlichte Statement des Vorstandsvorsitzenden Thomas Hitzlsperger oder die nun bekannt gegebenen und zumindest in Teilen fragwürdige Vorgehensweise des Vereinsbeirat verändert, bleibt mehr als fraglich. Verstärkend kommt hinzu, dass die ersten, kürzlich in der Presse veröffentlichten, Details aus dem Zwischenbericht der Firma Esecon zur Datenaffäre für zusätzliche Verunsicherung unter den Mitgliedern sorgen.
In dieser angespannten Situation, die damit auch äußerst eng mit dem im Moment völlig unklaren Fort- und Ausgang der Untersuchungen verknüpft ist, soll am 18. März 2021 in einer Onlineveranstaltung die Mitgliederversammlung des VfB Stuttgart durchgeführt werden. Letztendliche Klarheit über die zur Wahl stehenden Kandidaten wird es nach aktuellem Stand nicht „vor dem Abschluss der Untersuchung zu den Datenschutzvorwürfen und der Veröffentlichung der Untersuchungsergebnisse“ geben. Wann mit diesem Abschluss genau zu rechnen ist, bleibt unklar. Aktuell wird in verschiedenen Medien der Beginn des Monats Februar genannt.
Nach reiflicher Überlegung, dem Abwiegen verschiedener Ansichten sowie den möglichen und fraglos auch vorhandenen Vorteilen einer Onlinemitgliederversammlung, wollen wir als klare Positionierung dazu Folgendes loswerden. Uns geht es an dieser Stelle nicht um die einzelnen Personen hinter den bisher bekannten Kandidaten der Präsidentschaftswahl. Auch sollen das Für und Wider für den einen oder anderen an dieser Stelle keine Beachtung finden. Viel mehr steht für uns das grundsätzliche Verständnis der Mitgliederversammlung im Vordergrund.
In unserer Wahrnehmung haben die zentralsten Themenpunkte der anstehenden MV für viele Mitglieder eine außerordentlich große Relevanz. Mit der Wahl des Präsidenten steht bekannterweise das Votum über den Kandidaten auf der Tagesordnung, der den Verein und seine Mitglieder an oberster Stelle in den nächsten vier Jahren vertreten wird. Im Moment ist es für uns nur schwer vorstellbar, wie innerhalb der kommenden knapp sieben Wochen aus den mehr als verhärteten Fronten ein wichtiger inhaltlicher Austausch über die jeweiligen Pläne und Unterschiede der finalen Kandidaten entstehen soll. Auch im Hinblick darauf, dass sich der zeitliche Rahmen durch die letzten Entscheidungen und die Suche eines möglichen weiteren, durch einen externen Dienstleister zu ermittelten Kandidaten, nochmals verkürzen wird. Schon jetzt scheint sich die Debatte mehr auf die Personen und nicht auf die elementaren Inhalte zu fokussieren. Die Gründe dafür dürften zu großen Teilen auch in der Entwicklung seit Ende Dezember liegen, in der einseitig, massiv und unerwartet mehr als nur Porzellan zerschlagen wurde. Zusammengefasst ein Zustand, der weder der Wichtigkeit des Amtes noch den wählenden Mitgliedern gerecht wird.
Aus unserer Wahrnehmung wird es daher zunächst ausreichenden zeitlichen Abstand brauchen, damit aus der aktuell vorherrschenden Emotionalität wieder rationales Handeln und die richtigen Entscheidungen für den VfB Stuttgart erwachsen können. Zeit, die bis zum 18. März nicht genügend zur Verfügung stehen wird.
Zudem steht weiterhin eine Vielzahl an ungeklärten Vorwürfen gegenüber dem aktuellen Präsidenten im Raum, die eine dringende inhaltliche Aufarbeitung benötigen. Seit Wochen wird die Mitgliedschaft im Unklaren gelassen, wie handfest die Anschuldigungen tatsächlich sind und welchem Wahrheitsgehalt diese entsprechen. Ähnlich verhält es sich mit der unklaren Position der im offenen Brief von Thomas Hitzlsperger genannten Gremien. Hier befindet sich die Mitgliedschaft in der Situation, sich mit einer lediglich einseitigen beschriebenen Lage auseinandersetzen zu müssen. All dies sorgt für eine unübersichtliche Gemengelage, die dringend einer Aufklärung bedarf.
Für diese Aufklärung benötigt es aber einen ausreichend großen zeitlichen Rahmen. Ob dies bis zum 18. März, in einem fairen Wettbewerb und vor allem im Sinne der Mitgliedschaft möglich ist, muss massiv in Frage gestellt werden. Diese hätte ohne eine Verschiebung eine deutlich schlechtere Position, über die in die Öffentlichkeit getragenen Vorwürfe eine bestmögliche Erläuterung zu erlangen. Nur so ist jedoch eine eigene, differenzierte Sicht auf die Lage der Dinge möglich, die beispielsweise bei der Entscheidung für oder gegen einen einzelnen Bewerber von großer Wichtigkeit sein könnte.
Neben diesen inhaltlichen Faktoren spielen für unsere Positionierung auch die grundlegenden Eigenschaften einer Mitgliederversammlung eine große und damit tragende Rolle. Seit jeher leben die Versammlungen des VfB Stuttgart von der breiten Kommunikation mit und untereinander, zwischen der Basis und den Gremien. Fraglich, wie bei einer Onlineveranstaltung eine vernünftige und elementar wichtige Debatten- und Diskussionskultur aufrecht erhalten werden soll, die im Hinblick auf die Agenda mit Sicherheit ihren Raum finden muss. Bekanntlich stehen themenübergreifend eine große Anzahl an unbeantworteten Fragen im Raum. Wichtige Anträge, Emotionen, Spontanität sowie die Authentizität der Redebeiträge werden vor den privaten Laptops kaum ihre Gewichtung erlangen. Dazu kommt, dass durch die Einschränkungen der vergangenen Wochen und Monaten der grundsätzliche Austausch bereits jetzt auf ein Minimum reduziert werden musste. Gerade dieser Dialog ist für die Akzeptanz unterschiedlicher Sichtweisen innerhalb der Mitgliedschaft von großer Bedeutung. Oft wurde uns in der Vergangenheit vor Augen geführt, wie hilfreich ein persönliches Wort der Einordnung unter uns Mitgliedern sein kann. Es wäre fatal, wenn am Ende der Zusammenhalt, das Wir-Gefühl und die Verbundenheit der weiß-roten Anhängerschaft zueinander unter der unverschuldet erzwungenen Situation leiden würde.
Daher plädieren wir eindringlich für einen Aufschub der anstehenden Mitgliederversammlung am 18. März 2021 auf einen Termin als Präsenzveranstaltung in den warmen Sommermonaten und damit nach dem Ende der laufenden Saison!
Aus rechtlicher Sicht sollte dieser Schritt denk- und umsetzbar sein. Es gibt nach unserem aktuellen Kenntnisstand keine zwingende Notwendigkeit, um am genannten Termin festzuhalten. Der vergangene Sommer, mit der Teilöffnung von Bundesligastadien während der Pandemie, hat gezeigt, dass dort Veranstaltungen ähnlich einer Mitgliederversammlung möglich sein können. Natürlich haben auch wir keine Garantie, dass dies im Fall der Fälle dann auch so umsetzbar wäre. Gleichwohl blicken wir zumindest etwas positiver in die Zukunft und erhoffen uns mehr Normalität. Normalität, die auch eine Präsenzveranstaltung ermöglichen würde.
Wir vetreten die Ansicht, das die Authentizität und Akzeptanz von einzelnen Abstimmungen oder Ergebnisse bei einer Präsenzveranstaltung deutlich erhöht wird. Die Erfahrungen rund um die EDV-Probleme der Mitgliederversammlung 2019 und den daraus resultierenden Abbruch hängen bis heute vielen Mitgliedern nach. Undenkbar welche Folgen es hätte, sollten während oder nach der Onlineversammlung Rufe wegen Ungereimtheiten oder unterbrochenen Übertragungen bei der Abstimmung usw. aufkommen. Der daraus resultierende Vertrauensverlust dürfte immens sein und die Situation nochmals verschärfen. Dazu kommt, dass bis heute unklar ist, wie und in welchem Umfang bei der angedachten Onlineversammlung überhaupt über Anträge oder bei Wahlen abgestimmt werden soll. Bislang gab es von Seiten des Vereins hierzu keinerlei Informationen.
Entsprechend rufen wir den Verein auf, eine Verschiebung der Mitgliederversammlung am 18. März zu überprüfen und im Sinne der hier aufgeführten Argumentationen und im Namen all derer Mitglieder, die sich diesen womöglich anschließen können, auch umzusetzen. Wir sind der Meinung, dass dieser Schritt wegweisend für den VfB Stuttgart sein könnte. Losgelöst davon, mit welchen Ergebnissen die MV enden wird, wäre dies ein klares Signal für einen gelebten und vor allem weiterhin gewollten fairen Umgang, verbunden mit der bestmöglichen Information der Mitgliedschaft über alle relevanten Sachverhalte. Gleichzeitig würde es den Stimmen, die hinter dem Festhalten am 18. März die Hoffnung vermuten, unbeliebte Themenkomplexe und möglicherweise auch Personalentscheidungen leichter durchsetzen zu können, einen Riegel vorschieben.
Unabhänig davon steht für uns bereits fest, die Datenaffäre muss zu 100 Prozent und auch gegen jeden internen Widerstand aufgeklärt werden. Dies ist der Verein bzw. die heutige AG allen Mitgliedern schlicht und ergreifend schuldig! Sollte sich zudem aus dem Vorgehen im Kampf um das Amt des Präsidenten und/oder aus den Ergebnissen des möglichen Datenskandals personelle Konsequenzen, auch in den Gremien ausserhalb des e.V., ergeben, müssen diese unabhängig der Mitgliederversammlung getroffen werden. Ein Aussitzen bis zu einer möglichen Mitgliederversammlung im Sommer kann und darf nicht toleriert werden!
Keine Mitgliederversammlung am 18. März!
Niemand ist größer als der Verein und seine Mitglieder!
Ultras Schwabensturm Stuttgart 2002